Craft Beer Mallorca
BIER SPANIEN

Craft Beer auf Mallorca

Wie Mallorcas Mikrobrauereien dem mallorquinischen Wein den Rang als Trendgetränk ablaufen

Feinperlig schäumt das seidentrübe Bier den Duft von Rosen gen Nase, während die reifenden Orangen des Baumes fünf Meter neben der Terrasse des Lokals in der Sonne glitzern.

Im Glas kommt die Kohlensäure jetzt erst richtig in Gang und bringt neben der Rose nun auch fruchtige Hopfennoten zum Vorschein. In der Ferne bellt ein Hund, ein reichlich verspäteter Hahn kräht. Vor der Serra de Tramuntana ragen die zwei Spitzen der Pfarrkirche Sant Bartomeu verspielt in den Himmel und um sie herum erzählen die Häuserfassaden von Sóller die Geschichte von Wohlstand und Stil.

Wer nun die Augen schließt und das Glas zum Mund nimmt, für den schmeckt der erste Schluck wie die ganze Schönheit der Umgebung in Malz, Hopfen, Wasser, Hefe und Rosenblättern vereint.

„Sullerica Valeta“ heißt das Bier in diesem Fall und ist die Spezialabfüllung von fünf sowieso bereits besonderen Bieren aus der mallorquinischen Mikrobrauerei Sullerica, die sich auf die Herstellung von Craft Beer spezialisiert hat.

Forastera Craft Beer Mallorca
©Forastera

Craft Beer ist in auf Mallorca. Immer mehr Menschen sehen in den in Handarbeit und kleinen Chargen hergestellten Bieren mit den besonderen Aromen fernab der industriellen Massenerzeugnisse ein besonderes Genussgetränk und ziehen es immer öfter einem Glas Wein zum Essen oder zu anderen Gelegenheiten vor. „Craft Beer ist der neue Wein hier auf Mallorca“, sagt Toni Gómez Cerdá vom Fomento del Turismo de Mallorca, dem mallorquinischen Tourismusverband. Mit dem steigenden Konsum nimmt auch die Zahl der Craft-Beer-Produzenten zu.

Elf Mikrobrauereien gibt es mittlerweile auf der Insel, die zusammen mehr als 50 verschiedene Biere für den mallorquinischen Markt produzieren. Jedes davon einzigartig im Geschmack. Etwa 150 000 Liter Craft Beer pro Jahr werden auf Mallorca gebraut. Tendenz steigend.

Meist sind es junge Quereinsteiger, die sich der Kunst des Brauens dieser besonderen Biere mit Leidenschaft annehmen. „Wir hatten einen Geschmack im Kopf. Wir wollten ein süffiges, leckeres, aber schon unterschiedliches Bier zum Industriebier brauen. Und dann haben wir so lange ausprobiert, bis wir genau diesen Geschmack erreicht hatten“, sagt Michelangelo Mazzoccola, der in der Calle Bartomeu Pasqual 8 in dem kleinen, verschlafenen Städtchen Santa Maria del Camí, etwa15 Kilometer vom Stadtzentrum Palmas entfernt, zusammen mit seinem Partner Thomas Zapp das Bier „Nau“ braut.

Santa Catalina in Palma de Mallorca

Das Craft Beer nicht immer stark hopfig schmecken muss um besonders zu sein, beweisen die beiden mit ihrem Flagschiffbier, dem „Rubia Bohemia“. Das vollmundige, ungefilterte und süffig milde Pilsener mit böhmischen Malz und dreierlei Hopfen wird mit Brunnenwasser aus der Serra de Tramuntana gebraut und besticht vor allem durch seinen angenehm unauffälligen, milden und ausgewogenen Charakter.

Ob nun Wasser aus dem Tramuntana-Gebirge, Orangenschalen aus Sóller, heimische Rosenblüten, Kirschen, Wassermelonen oder Kürbisse: Lokale Zutaten sollen verwendet werden, um so jedes Bier mit der Insel zu verknüpfen und andersherum.

Die Brauereien sind auf der Insel verwurzelt und stolz darauf, an der Entwicklung der Craft-Beer-Szene auf Mallorca beteiligt zu sein.

Einen Grund, warum die Zahl der Bier-Enthusiasten auf Mallorca zunimmt, sieht Mazzoccola  in der steigenden Qualität der mallorquinischen Biere und ergänzt: „Der Trend wird hier ähnlich sein wie beim Wein. Jedes Lokal, das etwas auf sich hält, wird bald mindestens ein lokales Craft Beer im Angebot haben.“

Neben der nötigen Leidenschaft, um den mühsamen Prozess der Bierherstellung per Hand auf sich zu nehmen, ist es genau diese Einschätzung, die die Bier-Pioniere der Insel vereint. Sie alle erkennen ein großes wirtschaftliches Potenzial in der Herstellung und Vermarktung regionalen, handgebrauten mallorquinischen Bieres.

Dabei wird jedoch nicht für Mallorca-Urlauber produziert. „Wer denkt, dass unsere Hauptkunden Urlauber sind, liegt falsch“, sagt Sven Gohdes, Eigentümer und Braumeister der Forastera Brauerei in Palma de Mallorca.

Auch ausländische Märkte werden von den Herstellern bereits in den Blick genommen. Die Hersteller von Bier „Nau“ setzen dabei vor allem auf den deutschen Markt: „Es gibt einen Markt für mallorquinische Produkte in Deutschland und in kürze gehen wir dort an den Start“, sagt Mazzoccola mit hörbarer Vorfreude in der Stimme. Bis dato wird jedoch vor allem der einheimische Markt bedient und auch merklich mitgestaltet.

Santa Catalina in Palma de MallorcaSanta Catalina in Palma de Mallorca. Tramuntana Craft Beer Bar

Pablo Tamagni, der zusammen mit seinem Bruder Guillermo zu den ersten Mikrobrauern der Insel gehört, steht lässig hinter dem Tresen seiner auf Craft Beer spezialisierten Bar „Tramuntana“ in Palmas Szeneviertel Santa Catalina und grinst. „Die Szene hier ist groß“, sagt er. Und sie wird jeden Monat größer.

„Wir stellen zehn Biere selbst her und haben derzeit nur zwei vorrätig zum Ausschenken, da wir mit der Produktion einfach nicht hinterherkommen“, sagt Tamagni und zeigt auf das Publikum. „Allein ein Blick auf das Publikum hier in der Bar zeigt, wie vielfältig die Fangemeinde von Craft Beer auf Mallorca ist. Das ist längst keine so kleine Nische mehr wie viele denken.“

Und tatsächlich, hier sitzen Banker und Anwälte in Anzügen zum besonderen Feierabendbier genauso zusammen wie Studenten, Hipster und Pärchen. Eins von ihnen hat sogar ihr Baby mitgebracht. So unterschiedlich die Gäste sein mögen, so haben sie doch eins gemeinsam: Sie nippen an ihren Gläsern, beschäftigen sich mit den Geschmacksnuancen ihrer Biere und trinken jeden Schluck bewusst.

„Die Homebrewer-Szene ist hier auf der Insel riesig. Manchmal kommt es mit vor, als hätte jeder hier zu Hause einen Braukessel stehen“, sagt Forastera-Chef Sven Gohdes mit anerkennendem Kopfschütteln. Ob in Palma, Santa Maria oder Sóller: Überall auf Mallorca wird Craft Beer von vielen Menschen gelebt und genossen. Und ein Ende des Trends ist lang nicht absehbar. Im Gegenteil: Tendenz weiter steigend.

Die Recherche auf Mallorca wurde durch das Hotel Bon Sol in Illetas/Palma de Mallorca unterstützt, dem ich herzlich dafür danke!

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